Es muss ja nicht gleich wild werden. Aber ein bisschen mehr Dusel wär’ schon schön…
Ich bin mittlerweile ziemlich gut darin, gut zu mir zu sein. Ausreichend schlafen, viel Bewegung, wenig Stress. Zitronenwasser, Gemüsepower, so was. Und konsequent keinen Alkohol mehr. Ist kein kurzzeitiges Dry-January-Vorhaben, sondern eher eine langfristige Sober-Ü40-Sache, weil in der Mitte des Lebens Dinge, die mal leicht und lustig waren, irgendwie eine schwierige Wendung nehmen. Crémant-Laune, die mit einem Kater aus dem Vorhof der Hölle quittiert wird. Plus ein schlechtes Gewissen, das direkt in deren Hauptsitz wohnt.
Weil: Seitdem kürzlich selbst die Deutsche Gesellschaft für Ernährung Alkoholkonsum als Gesundheitsrisiko vom ersten Schluck an bezeichnet hat, fällt es mir verdammt schwer, mir den möglichen Schaden schönzutrinken wie früher manche Party. Es gibt leider einfach kein gesundes Glas Wein. Selbst wenn es mitunter genau das ist, was den nötigen Glow verspricht, der dem Alltag oftmals abgeht. Womit ich beim Thema wäre:
Mir fehlt kein Grauburgunder in meinem Leben. Sondern Glimmer.
Auch wenn ich schon seit Jahren nur zu bestimmten Anlässen das Glas erhoben habe - die Beziehung zwischen Promille und Party-Laune war unbestreitbar. Ein bisschen mehr Leichtigkeit, ein wenig mehr Spaß. Ein Verstärker guter Gefühle, die sonst vielleicht eher durchschnittlich wären.
Ich habe in den letzten drei Jahren wirklich gern virgin getrunken - ein Dank geht raus an die Winzer dieser Welt, die alkoholfreien Wein produzieren, der nicht nach gezuckertem Abwasser schmeckt! Habe mir meine erstaunlich hochpreisigen Null-Promille-Flasche zu Essenseinladungen mitgebracht, verunglückte Kommentare (“Aber irgendwann trinkst du wieder ein richtiges Glas mit, oder…?”) überhört und mich lieber gefreut, am kommenden Morgen fresh statt verkatert zu sein.
Kein Hangover, sondern Karmapunkte aufs Health-Konto zählen. Fühlt sich immer wieder gut an. Und ist doch kein Champagner-High, eher ein zufriedenes Zitronenwasser-Grundrauschen. Und manchmal fehlt mir dabei ein wenig das Prickeln.
Ich hätte so gern mal wieder einen ist-das-Leben-nicht-schön-Rausch ohne lästige Nebenwirkungen. Einen Dusel, der nicht in Longevity-Pläne reingrätscht.
Denn alkoholfreie Placebos - so sehr ich ihre Existenz auch feiere - sind die Gwyneth Paltrows unter den Drinks. Hübsch, harmlos, vernünftig. Und vielleicht läuft genau das gerade meinem Grundgefühl zuwider.
Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich Vernunft, Bedenken und Alltag mitunter am liebsten in die Luft sprengen würde. An dem ich dringend steil gehen möchte (sofern ich nicht zu müde dafür bin) und dieser verwirrenden Perimenopausen-Phase mit einer großen Portion Überschwang und Übermut begegnen möchte. Kontrolle und Selbstbeherrschung in den Wind schießen will - gern mit freundlicher Unterstützung. Ja, das ist wirklich wieder ein wenig wie Pubertät. Und da war kein Rausch irgendwie auch keine Lösung.
“Ich glaub, ich brauch andere Drogen”, meinte ich kürzlich zu einer alten Freundin, die das Dilemma teilt.
Sie schlug kiffen vor. Ich schlug aus. Kam mir irgendwie nicht wie ein adäquater Midlife-Rausch vor. Ich stellte mir direkt ein schönes Dinner vor, wie meine Freundin es gern veranstaltet: Geschmackvolle Deko, farblich passende Teller und aufs Menü abgestimmte Weinbegleitung. Und ich geh’ raus auf die Terrasse und rauch’ eine Tüte, um mich danach gedanklich in meine Gehirnwindungen zu verabschieden…? Ist zwar jetzt alles legal, aber gesellig und Living-at-home-like ist es irgendwie immer noch nicht.
Mal abgesehen davon, dass es nicht die Art von Rausch ist, auf die ich aus bin. Ich hab Bock auf dieses Prosecco-artige Prickeln. Auf dieses kribbelige, vorfreudige Gefühl von mehr. Mehr vom Abend, mehr vom Leben, mehr vom Unbekümmertsein. Es mag Menschen geben, die Naturtalente in Sachen Selfhigh sind. Ist bei mir noch ausbaufähig.
Vielleicht sollte ich mich einfach Hals über Kopf verlieben.
Der Hormon-Shake aus Oxytocin und Dopamin kommt einem gesundheitlich unbedenklichen Rausch jedenfalls am nächsten. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Christian Weiss, sagt dazu in einem Interview mit der dpa: "Ein heftig verliebtes Gehirn ist einem besonderen neurochemischen Cocktail ausgesetzt. Der Zustand ist ein wenig wie unter Drogeneinwirkung."
Klingt mega. Zumindest auf dem Papier. Wär’ schließlich alles andere als unbedenklich für unser 20-Jähriges, das mein Mann und ich kommendes Jahr mit einer rauschenden Party zu feiern gedenken. Ob mit oder ohne Cocktails, wird noch zu klären sein, aber ohne Mann wär’s irgendwie witzlos.
Aber womöglich bin ich doch nicht gänzlich talentfrei in Sachen von mir selbst trunken werden.
Als ich kürzlich ein wenig lost war, weil ich mich plötzlich beruflich neu aufstellen musste, habe ich aus einem Impuls heraus einfach losgelegt. Habe meine erste Katia.schreibt-Kolumne in einem Rutsch - wie im Rausch - geschrieben. Und wurde durch eurer Feedback dazu unerwartet in ein High katapultiert, das über Tage anhielt. Mit jeder netten Nachricht, mit jeder neuen Abonnentin, wurde mir leichter, wurde ich beschwingter, meine Laune kratzte irgendwann beinahe an der Übermut-Marke.
Vielleicht ist das Ü40-High eben doch eines aus mir selbst heraus. Indem ich Dinge tue, für die ich brenne. Indem ich mir Momente schaffe, in denen ich Platzen könnte vor übersprudelnden Gefühlen. So wie im vergangenen Herbst, als ich mich von den Kindern breitschlagen ließ, in eine Wasserrutsche zu steigen - und mit gefühlten 50 km/h durch dunkle Röhren schoss und mich unten angekommen gar nicht mehr einkriegen konnte vor Freude.
Vielleicht heißt Glimmer in der Mitte des Lebens jetzt selbst Glitzer auf den Alltag zu streuen.
Handlungen und Routinen unerwartete Wendungen geben. Sich begeistern - und begeistern lassen. Neues ausprobieren, immer wieder. Sich selbst feiern dafür, sich feiern lassen von anderen. Denn wenig kickt so gut wie Bestätigung von außen. Lob annehmen, nicht bescheiden abwehren. Herz und Seele durchlässig werden lassen für den Glitter, den das Leben so streut, wenn man nur aufmerksam genug ist.
Und vielleicht muss der Ü40-Glimmer auch kein Feuerwerk mehr sein wie mit Mitte 20. Vielleicht reicht ja auch die herzförmige Wunderkerze, die mir an Silvester ehrlicherweise immer die liebste ist. Mehr ein gleichmäßiges Glühen als ein großer Knall. Und mit überschaubaren Folgen, die man hinterher beseitigen muss.
Und wenn das alles nicht reicht: Meine Freundin schlug am Ende unseres Gesprächs noch vor, ihre 19-Jährige Tochter nach anderen Alternativen zu fragen. Die hätte von zeitgemäßem Rausch garantiert mehr Ahnung als wir mittelalten Mütter. Eine Antwort steht noch aus. Ich halte euch auf dem Laufenden.
Ich will doch immer so gern berauscht sein. Und werde doch immer nur breit.
Element of Crime, Band
Fünf Dinge, die mich happy gemacht haben
Harry Potter und das verwunschene Kind: Wenn Theater - dann bitte ganz genau so! Für meinen Sohn und mich war es der magische Abschluss nach sieben gemeinsam gelesenen Harry Potter-Bänden und acht Filmen. Und es war ein echtes Highlight! Eine packende Geschichte mit spannenden Twists, Tricks, die fast filmreif waren und Gott seid Dank hat niemand gesungen, was ich vorher befürchtet hatte. Preislich kein Event für zwischendurch, klar, aber ein echtes gönn-dir-Geschenk perfekt zu Geburtstag und Co. Allerdings nicht für zu kleine Kinder: Die frei schwebenden Dementoren waren schon ziemlich spooky…
Introducing Emilia Sisco: Ich hab’s irgendwie gerade mit Vintage Soul. Die Finnin Emilia Sisco entführt uns mit Schmeichel-Stimme und Downtempo-Tracks direkt in die Sixties - läuft bei mir gerade rauf und runter, während ich schreibe.
Immer für dich da: Zugegeben: Ich bin ein wenig late to the Party für die Netflix-Serie über zwei beste Freundinnen. Tully und Kate sind ein ungleiches Gespann - aber über 30 Jahre ihres Lebens von den 70ern bis zu den frühen 00er-Jahren unzertrennlich. Die Geschichte springt zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her und auch, wenn die Macher es mit den Youth-Filtern an der ein oder anderen Stelle ein wenig übertreiben - ich feiere die Geschichte über zwei Journalistinnen und ihre unterschiedlichen Lebenswege sehr. Zumindest bis zur neunten Folge der zweiten Staffel, da nimmt das ganze eine kritische Wendung, die ich mir lieber erspare. Aber bis dahin ein großes Vergnügen!
Null-Promille-Alternativen, die schmecken: Da ich schon eine Weile im Dry-Game bin, habe ich einige Null-Prozent-Alternativen ausprobiert, die ich euch guten Gewissens ans Herz legen kann. Here we go: Ich mag die Weine von Kolonne Null, vor allem den Riesling und die beiden prickelnden Sorten in rosé und weiß. Überhaupt ist bubbly bei alkoholfrei immer eine ganz gute Idee, weil es weniger nach Traubensaft schmeckt. Geht auch gut bei Brut d’Argent oder bei Mumm. Gibt’s alles übrigens im Supermarkt. Auch Jaques’ Weindepot hat eine vernüntige Auswahl und bei nüchtern.berlin bekommt ihr alles vom Apéritif bis zum Absacker.
Substack: Für mich ist das Medium auch noch ziemlich neu. Bislang kannte ich es nur von einer meiner Lieblings-Autorinnen Suse Kaloff, die hier ihre Kolumne Suse in your Pocket publiziert. Aber seitdem ich mich auf der Plattform ein wenig mehr umtue, stoße ich auf so viele so gute, inspirierende und überraschende Texte. Zum Beispiel die von Sofia B. und Fast jeden Sonntag - ein Newsletter über Feministisches, Medizinisches und Politisches. Oder Hybris und Weltschmerz von Thekla Wilkening. Lest da unbdingt mal vorbei!
Das war’s für heute. Aber bevor ich’s vergesse: Der Mann war so nett und hat während meiner Harry-Potter-Auszeit technisch ein wenig an meiner Kolumne gebastelt. Heißt: Ab sofort könnt ihr mir unten über den Button eine Paypal-Spende dalassen, um mir zu zeigen, dass ihr meine Arbeit wertschätzt. Der Betrag ist euch überlassen, ich habe extra keine Voreinstellung gewählt. Von mir gibt’s dafür ganz viel Liebe für euch und jeden Samstag einen neuen Text. Ach so, liken und weiterleiten wäre auch formidabel, damit ich hier von möglichst vielen Menschen gelesen werden kann. Das war’s von meiner Seite in Sachen Wochenend-To-dos…
Obwohl: Verratet mir doch gern noch, was euch dieser Tage berauscht.
Alles Liebe, bis nächsten Samstag,
Katia
P.S.: Wenn ihr unten auf das Herz klickt, geht meines so richtig auf und ganz nebenbei helft ihr damit auch noch anderen, meine Texte zu finden. Mille Mercis!
Katia.schreibt ist eine Mitten-im-Leben-zwischen-den Stühlen-Kolumne mit Texten zwischen Mama-Wahnsinn und Wechseljahrs-Punk und erscheint jeden Samstag morgens zum ersten Kaffee. Weil schreiben nicht nur meine Leidenschaft, sondern auch mein Beruf ist, freue ich mich über alle, die meine Arbeit mit einer Spende unterstützen mögen.
Während ich deinen Text las, dachte ich mir: Einfach die Sachen machen, wo du Bock drauf hast. Und was dir gut tut.
Schöne Kolumne. Und Schreiben kann auch zum Rausch werden. Wie wir hier sehen können. 💥
Ein so toller Text!