Katia.schreibt #27: Midsommar-Edition
Jetzt ist Gönnung! Plus Bucketlist mit Ideen für die schönste Zeit im Jahr
Gerade ruft mein Leben Sommer - und ich hör’ ihm endlich zu. Was für mich nicht so easy ist, wie es vielleicht gerade klingen mag, weil: Ich bin zwar richtig gut im Sehnsucht haben - nach der Leichtigkeit langer, heller Tage, nach Strandnachmittagen am Elbufer und Wassermelonen-Feta-Salat. Aber ich bin ziemlich schlecht im Ausleben, wenn es dann endlich so weit ist.
Foto: Anne Nygård/Unsplash
Das betrifft übrigens nicht nur den Sommer, sondern tendenziell alles, was Sehnsuchtspotenzial hat: das Wochenende, Urlaube, das Konzert, auf das ich mich wochenlang gefreut habe. Oft kann ich die Dinge einfach nicht richtig genießen, wenn ich sie endlich vor der Nase habe. Und ärgere mich dann hinterher, weil ich damit doch meine persönliche Bliss-Box füllen wollte (falls es jemand gerade nicht parat hat: Bliss heißt Wonne und ich liebe alles an diesem Wort).
Vielleicht brauche ich einfach einen gewissen Druck, damit das mit der Wonne und dem Fühlen endlich matcht. Wie wär’s also damit: In zwei Tagen ist Mittsommer (also heute, wenn ihr meine Kolumne am Samstag lest). Was heißt, dass der Sommer zumindest in Sachen Helligkeit seinen Zenit erreicht hat - und sich dann schleichend und unaufhaltsam wieder Richtung Herbst aufmacht. Und ganz ehrlich: Als mir das vor ein paar Tagen klar wurde, packte mich eine regelrechte Sommer-Torschlusspanik - und ich seitdem jede Gelegenheit beim Schopf, um diese kostbaren Wochen so richtig zu feiern.
Es ist nicht so, dass es mir generell an Ideen mangeln würde, was man so alles machen könnte, um die Durststrecke zwischen Anfang November und Ende März wenigstens mit schönen Erinnerungen zu füllen. Im Handy habe ich eine Sammlung, die Sommersachen machen heißt. Daruf stehen Dinge wie mit den Kids im Garten zelten, Picknick am Elbstrand, aufs Erdbeerfeld, mit dem SUP auf den See, Erdbeeren pflücken, Wasserlichtspiele in Planten un Blomen, Open-Air-Kino im Schanzenpark.
Dreimal dürft ihr raten, wie viel ich davon dieses Jahr schon unternommen habe. Nämlich gar NICHTS. Aber seit ein paar Tagen nimmt meine persönliche Sommer-Gönnung ein wenig an Fahrt auf, weswegen ich hier jetzt mit noch freibadfeuchten Haaren am Laptop sitze, weil ich heute Morgen um neun eben nicht dreckige Wäsche und Müll aus Kinderzimmern geklaubt habe, sondern ins Freibad gefahren und lieber eine halbe Stunde zwischen Schülern und Senioren geschwommen bin. Weil ich weiß, dass ich es mir einfach nicht verzeihen würde, den Sommer einfach so zu verplempern.
Und ich feiere mich gerade dafür. Weil Sommer immer auch eine Entscheidung ist. Für mehr laisser-faire, für Gönnung ohne Anlass, für erst-das-Vergnügen-dann-der-Job. Für mich als Kontrollfreak immer wieder eine echte Prüfung, aber ich werde besser darin. Trinke meinen ersten Kaffee konsequent draußen auf dem Daybed, auch wenn die Kinder sich dann allein ihr Frühstück machen müssen. Zelebriere mein Morgen-Müsli, für das ich gerade täglich knallrote und knallsüße Walderdbeeren aus dem Garten pflücke. Verlege meinen Arbeitsplatz nach draußen, weil es sich gleich viel mehr nach Urlaub und viel weniger nach Arbeit anfühlt.
Vielleicht ist Sommer nicht nur Gönnung, sondern auch Achtsamkeit. Dafür, sich nicht in öden Alltagsaufgaben zu verlieren, sondern lieber im Moment. Denn natürlich liegt immer irgendewas an, das einen davon abhält, sich nachmittags mit einem Buch auf die Liege zu legen. Es gibt immer Haufen zu beseitigen, Hausaufgaben zu betreuen, Hobbyfahrten zu erledigen. All das ist immer dringlicher als der Sommer, der mir jedes Jahr kürzer scheint.
Wie viel Schönheit in einem gelebten Sommer steckt, habe ich letzte Woche gespürt, als ich mit meiner Tochter auf einem Mädchen-Wochenende an der Elbe war (in diesem hübschen Tiny-House-Dorf). Okay, es waren Tage unter Idealbedingungen: Nichts zu tun, nur sein und genießen, dazu Hochsommer auf norddeutsch und eine Landschaft, die mich zu Tränen gerührt hat. Also buchstäblich. Als wir abends gemeinsam im Elbvorland über frische Stoppelfelder spaziert sind, das Quaken der Frösche im Ohr und den wunderbar würzigen Geruch von frisch gemähtem Gras in der Nase, musste ich plötzlich weinen. Weil darin für mich die Essenz des Sommers steckt: Leichtigkeit, Freude, Schönheit. Am liebsten hätte ich dieses Gefühl in Flaschen abgefüllt und mitgenommen.
Aber weil das nicht geht, will ich in den nächsten Wochen einfach viele solcher Anlässe schaffen. Ich will Sommer ohne Kompromisse. Ich will Sonne auf meiner Haut und Abdrücke vom Badeanzug, die meinen Körper in blasse und braune Areale teilen. Ich will Freibad-Pommes und selbst gemachtes Spaghettieis, ich will Festival-Feeling und tanzen unterm Sternenhimmel. Ich will im Dunkeln schwimmen gehen, französische Apéro-Abende und ganz viel Leichtigkeit in meinem Leben.
Und damit ich das alles nicht gleich wieder vergesse, wenn das nächste vermeintlich wichtigere Must-do um die Ecke kommt, habe ich mir eine hochoffizielle Sommer-2025-Bucket-List geschrieben. Jetzt habe ich einen Plan und ganz viel Vorfreude noch dazu:
Elbpicknick mit einer Freundin. Ein Lieblingsabend im Spätsommer. Wir plündern unsere Kühlschränke und radeln übers Stoppelfeld direkt bis zum Elbstrand, wo wir Sommersachen essen und den Sunset überm Wasser bewundern.
Dieses Jahr wirklich: Ich hab noch nie mit den Kindern im Garten gezeltet. Wozu hat man denn einen? Eben.
Kino unterm Sternenhimmel. Liebe gute Filme und am allermeisten outdoor. Vielleicht läuft ja “Loyal Friend”, die Adaption eines Romans von Sigrid Nunez, den ich sehr gern gelesen habe und der toll mit Bill Murray und Naomi Watts besetzt ist. Liebe schon den Trailer!
Mit der Barkasse Hedi durch den Hamburger Hafen schippern und an Deck zu Indiesounds tanzen.
Endlich wieder an die Ostsee nach Sehlendorf fahren - so ein schöner Strand da!
In der Hängematte liegen.
Unsere Eismaschine anschmeißen.
Vom Fünfer springen.
Mit meinem Ältesten zum SUPen an den See.
Nach Jahren mal wieder zu den Wasserlichtkonzerten.
Jeden tag maximal lange draußen sein.
Ich hab’ jetzt ein gutes Gefühl, was meine persönliche Bliss-Box anbelangt. Und was macht ihr, um den Sommer zu feiern?
Nichts, was Spaß macht, ist unnütz.
Benjamin Blümchen, Life Coach und Elefant
Fünf Bücher, die mich happy machen werden
Für schattige Stunden auf dem Daybed brauche ich gute Lektütre. Überhaupts steht und fällt der Sommer auch mit den Büchern, die ich dabei lese. Auf diese freue ich mich gerade besonders:
Blue Sisters: Ich mochte von Coco Mellors schon die Liebesgeschichte von Cleoptra & Frankenstein, aber mit “Blue Sisters” catcht sie mich gerade noch mehr: Es geht um drei ganz unterschiedliche Schwestern, die den Tod der vierten verschmerzen müssen. Auch wenn sie alle auf ihre Weise am Schicksalsschlag zu zerbrechen drohen, ist es doch ihre tiefe Verbundenheit, die sie durch die Trauer trägt. (Ein Dank geht raus an Nina, mit der ich einen wunderbaren kleinen Buchtausch-Club habe und die mir alle paar Wochen neue Romane mit Lieblingspotenzial an die Tür hängt.)
Die Hummerfrauen: Betrix Gerstberger ist eine wunderbare Journalistin, deren Texte ich schon in der Brigitte oder bei Nobodytoldme immer wahnsinnig gern gelesen habe. Jetzt hat sie ihren ersten Roman geschrieben, der in Maine spielt, meinem Sehnsuchtsziel in den USA. “Die Hummerfrauen” erzählt die Geschichte von drei starken Frauen. Mina ist eine von ihnen und hat in ihrer Kindheit fast jeden Sommer dort verbracht - bis zu einer schicksalshaften Wende. Nach Jahren kehrt sie zurück und trifft dort auch auf Sam, den sie sich nie ganz aus dem Herzen reißen konnte.
Die Unbehausten: Im vergangenen Jahr hat mich “Demon Copperhead” - der Junge aus dem Trailer-Park - von Barbara Kingsolver schier umgehauen. Jetzt legt die Pulitzer-Preistzrägerin mit “Die Unbehausten” nach: Zwei Familien in zwei Jahrhunderten in einem Haus - und die Frage was passiert, wenn alles zusammenbrichtbricht, an das man jemals geglaubt hat. Niemand erzählt vom Drama des Seins wortgewandter und empathischer als sie - pack ich mir für die Ferien ein.
Von hier aus weiter: Susann Pásztor ist eine mitreißende Erzählerin - wer “Die Geschichte von Kat & Easy” kennt oder “Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster”, weiß um ihr Gespür für Figuren und Geschichten. “Von hier aus weiter” erzählt die von Marlene, um die 60 und plötzlich Witwe. Statt zu trauern wird sie ausgesprochen wütend - erst ein zufälliger WG-Bewohner findet einen Zugang zu ihr und sie auf Umwegen zurück zum Leben.
Für Polina: Ich kenne niemanden, der diesen Roman nicht geliebt hat - dementsprechend hoch ist meine Erwartung. “Für Polina” komponiert der 14-jährige Hannes eine Melodie - bis das Leben ihn von der Musik und dem Mädchen trennt. Jahre später macht er sich auf die Suche nach beidem.
Alles Liebe, feiert den Sommer, bis nächsten Samstag,
Katia
P.S.: Wenn ihr unten auf das Herz klickt, geht meines so richtig auf und ganz nebenbei helft ihr damit auch noch anderen, meine Texte zu finden. Mille Mercis!
Liebe Katja,
Jetzt habe ich eben den längsten Kommentar zu Deinem Text geschrieben und jetzt ist er weg...
Ich schreibe ihn später neu. So ein Ärger...
Ich stehle mich ebenfalls an den Vormittagen ins Freibad. Diese Woche hat es 2x geklappt.
Dafür bleibt die Wäsche liegen und schafft es nicht in den Schrank...
Ich freue mich, zusammen mit meiner Freundin über den souveränen Michi an der Freibadkasse.
Ich war gemeinsam mit Ihr schwimmen. Muße im Wasser mit Klönschnack. Ein Traum. Danach ein Picknickfrühstück. Vom Freibad geht es für mich dann zur Arbeit. Dort schneide ich im Bioladen unter anderem die Melonen für den Salat. Danke für das Salatstichwort, denn den Salat hab ich fast vergessen.
Im August geht es an die Ostsee. Bis dahin Summer in the city...und viel Arbeit, wenn alle draußen rumflippen. Aber auch die gestohlenen Momente im Freibad. Die Tage wurden wir dort als Freibadprofis angesprochen. Da fühlt man sich doch als Heldin des Sommers. Die Bräune stellt sich genau wie bei Dir ein...auch an den Füßen, wo die Sandalen waren.
Ich habe mir auch ein Paket Sommerlektüre bestellt. Über die Hummerfrauen bin ich auch schon gestolpert, die sind auf der Liste. Danke dafür. Und auch der Filmtrailer ist notiert. Den muss ich sehen..
Genauso wie " Der Salzpfad" im Juli läuft der an.
Der Freibadsommer ist da, Freibadpommes folgen. Oder gehen die auch morgens um 10 Uhr. Gibt es in Deinem Freibad auch die Naschtüten? Die finde ich seit letztem Jahr großartig. Die mit dem Gummizeug. Einfach herrlich.
Was mir auch gefällt sind die Schnacks in der Umkleide. Vor dem schwimmen die Frage, wie ist das Wasser? Und danach die glücklichen Schwimmgesichter. Ich flitze dann direkt mit dem Rad vom Bad direkt zur Arbeit und schneide mit einem mega Körpergefühl Melonen..
Blue Sisters empfand ich als eine der schlechtesten Bücher, die ich je gelesen habe. Ich konnte mit den Schwestern und ihren Beziehungen untereinander absolut nichts anfangen :/ dabei fand ich den KT damals so gut.