Katia.schreibt #30: Aus dem Tagebuch einer Teen-Mom
Life is a rollercoaster, wenn du zu Hause plötzlich zwei Pubertiere hast
Morgens werde ich angeschrien, abends hab‘ ich das gleiche Kind zur Einschlafbegleitung im Elternbett. Ich glaube, größer wird die Spannweite nicht mehr, auch die meiner Nerven nicht. Es ist wie dauernd Achterbahnfahren, ständig droht einer von uns aus der Kurve zu fliegen.
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Seit ein paar Tagen habe ich meinen ersten offiziellen Teen im Haus. 13 Jahre, überragt mich um einen halben Kopf und beweist mir gerade täglich durch Appetit und Ausdünstungen, dass die Kindheit eine längst vergangene Phase ist. Und nur damit wir uns nicht falsch verstehen: ER ist nicht derjenige mit der Einschlafbegleitung!
Denn damit es nicht langweilig wird, ist just auch noch meine Neunjährige ins Prä-Teen-Game eingestiegen, sprich: Wenn der Große gerade Stänkerpause macht, hat die Mittlere Raum für den großen Auftritt als Drama-Queen: “Du verstehst mich einfach NIE!” “Du kannst ja keine Kinder erziehen!” Liebe es, wenn morgens um sieben das erste Mal die Kinderzimmertür lautstark ins Schloss gepfeffert wird. KaWUMM!
Insofern beneide ich meinen official Teen gerade des öfteren um seine brandneuen Airpods, die ihn hermetisch von unserer Familienwelt abschotten. Hat er bislang nur in seinem meist verschlossenen und höhlenartigen Jugendzimmer räumlichen Abstand von uns gesucht, ist er jetzt selbst in unserer unmittelbaren Nähe nicht mehr ansprechbar. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Tagen schon ein verständnisloses und laut artikuliertes “WAS?!” geerntet habe, wenn ich mich an Kommunikation auf Augenhöhe versucht habe.
Denn Diskussionen werden zwar länger - darüber wie lange man switchen, brawlstarsen und so weiter darf, echte Gespräche werden dafür aufs Nötigste reduziert. Wie geht’s dir gerade? – Gut. Magst du mir von deinem Tag erzählen? - Nö. Aber so habe ich immerhin mehr Zeit für Einkäufe, weil kaum habe ich die Kühlschranktür hinter den Bergen von Nahrungsmitteln geschlossen, ist er auch schon wieder leer. Kein Wunder, wenn Omeletts aus zehn Eiern oder eine Packung mit 20 Grillwürstchen als Snack für zwischendurch verdrückt werden. Proteine sind der Treibstoff für Teen.
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Und dann die Sache mit dem materiellen Konsum: Plötzlich muss es unbezahlbarer Preppy-Look sein statt H&M-Shirts, deren Preis man nicht nachweint, wenn das Kind über Nacht wieder aus allen Klamotten rausgewachsen ist. Auf einmal werden Einkaufszentren als Ausflugsziel vorgeschlagen, gern mit 100 Euro Shopping-Budget, um sauteure Sneaker, Ralph-Lauren-Poloshirts und anderen old-money-Style zu kaufen. Ich meine: Ernsthaft?! Mein Kind spielt nicht mal Tennis, geschweige denn Hockey. Bekomme gerade das erste Mal eine Ahnung, was passiv-aggressive Teen-Rebellion gegenüber den Eltern meint.
Immerhin kriege ich gerade viel guten Input in Sachen Musik und habe ständig Ohrwürmer von Olivia Rodrigo, Benson Boone und Sabrina Carpenter, womit ich mich zumindest in den Augen meiner Tochter als nicht vollständig cringe qualifiziere. Das pulverisiere ich allerdings verlässlich mit peinlichen Nachfragen zum Thema Schule, Freunde, im Prinzip zu allem Persönlichen, was über den reinen Versorger-Modus hinausgeht.
Ja, die Kommunikation verlangt mir gerade am meisten ab. Vielmehr: Die Nicht-Kommunikation. Klar kann ich aus einem knappen Ja mittlerweile viele Bedeutungen rauslesen: Zustimmung, Zumutung, Zanklaune – aber mir fehlen Gespräche, die in mehr als maximal zwei Sätzen abgehandelt sind. Vielleicht stelle ich die falschen Fragen? Zu viele? Zu uncoole?
Vermutlich bin ich immer noch zu sehr verhaftet in der Erziehungsrolle statt im Beziehungs-Building mit Pubertieren. Denn alle reden zwar über Bonding mit Babys - ist mit Teens aber mindestens genauso essenziell. Ein festes Band, das uns verbindet, auch wenn uns plötzlich die Abgründe der Generationen trennen. Ein Band, das dehnbarer wird, aber nicht abreißt.
Doch ich finde das gerade in dieser Übergangsphase ziemlich schwer zu realisieren. Weil das Kind im Teen immer noch so häufig durchblitzt und mein Mutter-Über-Ich sofort reflexhaft dazu bringt, zu behüten, zu begrenzen, zu bevormunden. Und der Teen im Kind das so richtig - pardon - scheiße findet. Klar, dass wir damit gerade nicht so richtig zueinanderfinden.
Vermutlich sollte ich mehr Zeit auf dem Fußballplatz verbringen. Mich in Sachen erste und zweite Bundesliga aufschlauen, um beim Herzensthema meines Großens mitreden zu können. Denn auch wenn er mein erster Teen ist: Aus eigener Erfahrung weiß ich einfach, wie wichtig es ist, gerade JETZT im Gespräch zu bleiben. Weil mit der Pubertät alles fragiler wird und ich als Gesprächspartner zumindest in Betracht gezogen werden möchte, wenn die Themen größer werden als die Kinder selbst. Und dazu braucht es Anknüpfungspunkte.
Aber der Weg dahin ist gerade ein steiniger. Und schmerzhaft - nicht nur für vulnerable Teenager-Seelen. Sondern auch für mich als Mutter. Denn die Zurückweisung großer Kinder fühlt sich gerade verdammt häufig nach Dolchstoß und ein wenig nach Liebeskummer an.
Doch manchmal - wenn man es am allerwenigsten erwartet - lehnen sich diese so schnell groß gewordenen Kinder in einem unbeobachteten Moment an mich und mein Herz bröselt, auch wenn ich vorher gerade nach Jugend-WGs gegoogelt habe. Die Gleichzeitigkeit der Dinge ist selten so präsent wie im Familienleben mit Teens.
Everybody knows: It sucks to grow up.
Song von Ben Folds, Musiker
Fünf Dinge mit Happy-Potenzial
Sag zum Abschied leise … yippie!: Passender könnte gerade kein Sachbuch sein als das neue meiner Kollegin Nathalie Klüver, die just einen sehr schlauen Ratgeber geschrieben hat mit dem schönen Untertitel: Was wir feiern können, wenn unsere Kinder langsam groß werden. Einer ihrer vielen Knallersätze: “Indem wir ihren Rückzug und ihre Grenzen respektieren - auch wenn es manchmal schmerzt, die kalte Schulter gezeigt zu bekommen - erweisen wir ihnen den Respekt, den sie verdient haben.” Amen! Lest dieses Buch. Hier entlang.
Berlin Sounds: Passt perfekt zu meinem letzten Hauptstadt-Post: In der ARD-Mediathek geht’s in der dreiteiligen Musik-Doku um den Hauptstadt-Sound von den 60ern bis in die 2020er, um Beats und Bowie, um Punk und Techno, Ost und West. Klingt spannend.
OpenAir-Kino: Der Sommer ist kein richtiger, wenn man nicht einmal im OpenAir-Kino war. Hamburgs Freilichtkinos sind eröffnet - eine gute Übersicht gibt es hier. Ich hab’ mir schon “Die leisen und die großen Töne”, “Der Phönizische Meisterstreich” und “Emilia Pérez” fett in den Kalender geschrieben.
Leider nicht unsterblich: Eigentlich bin ich ja eher im Roman-Game, aber diesen Leitfaden des Guardian-Kolumnisten Oliver Burkeman zum Impefektionismus hat es mir angetan. Seine These: Sobald wir endlich begreifen, dass wir unser Leben nie in den Griff bekommen, öffnet sich uns die Welt. Ein Crashkurs für ein erfülltes Leben - wenn das mal kein catchy Versprechen ist!
Gebackener Auberginen-Dip mit Burrata: Ich bin ein Auberginen-Fangirl - vor allem, wenn man das lilafarbene Gemüse schön lange im Ofen röstet, so dass aus etwas latent gummiartig-langweiligem plötzlich eine Geschmacksbombe wird. Richtig gut ist dieser Dip - und so geht’s: 2 Auberginen gewürfelt, 6 Zwiebeln in Streifen und 6 Knoblauchzehen in Gänze in einen ofenfesten Topf geben. Mit einer Marinade aus einer halben Tasse Olivenöl, 3 EL Tomatenmark, 1 EL Granatapfelsirup, 2 TL Ahornsirup, 1 TL Salz, 1 TL Paprikapulver, 1/2 TL Chiliflocken vermischen und bei 200 Grad Ober-/Unterhitze für ca. eine Stunde mit geschlossenem Deckel im Ofen garen. Anschließend das Gemüse mit einer Gabel zerdrücken, abschmecken und mit Burrata, Olivenöl, Granatapfelsirup und Frühlingszwiebeln garniert servieren. Dazu passt Brot oder auch Couscous.
Alles Liebe, bis nächsten Samstag,
Katia
P.S.: Wenn ihr unten auf das Herz klickt, geht meines so richtig auf und ganz nebenbei helft ihr damit auch noch anderen, meine Texte zu finden. Mille Mercis!
Wow, Katja, was für ein toller Text mal wieder!! I feel you. Du schaffst es immer wieder, mein eigenes Leben in einen Text zu packen. Das tut so gut zu lesen, dass es anderen genauso geht.❤️ DANKE!!
Liebe Katja, wieder ein Text in dem ich mich zu 100% wiederfinde. Bei mir sind es 3 Jungs - 15, 13 und 10 Jahre! Wirklich volle Dröhnung Pubertät 😅 Manchmal fühle ich mich aber selber wie in der Pubertät - so bin ich ständig hin und her gerissen, wie ich diesen neuen Familienzustand so finde… Mal liebe ich die gewonnene Freiheit und mal kann ich damit gar nicht umgehen. Eins steht jedoch fest - Mutterschaft/Elternschaft verändert sich kontinuierlich. Und kaum hat man begriffen wie man die Sache jetzt angehen will sind die Kinder in 3 Nächten wieder 10cm gewachsen und alles ist wieder anders. Diese permanente Anpassung und Feinjustierung des Familienlebens ist der Wahnsinn! Ich komm oft gar nicht so schnell hinterher… und dann denke ich, die Jungs kommen eigentlich gut klar nur ich muss lernen Schritt zu halten. Manchmal gelingt das gut und manchmal so gar nicht… aber Hauptsache der Kühlschrank ist immer voll 🤣