Katia.schreibt #17: Rettet die Langzeitliebe!
Warum ich uns als Paar wieder mehr feiern will
Mein Mann und ich sind dieses Jahr 20 Jahre zusammen, zehn davon verheiratet. Wir hatten überlegt, das groß zu feiern, weil man das eh zu selten tut. Die Langzeitliebe bekommt generell so wenig Aufmerksamkeit, im Großen und im Kleinen. Irgendwie fühlt es sich fast ein wenig oldschool an, immer mit dem einen gleichen Menschen Tisch, Bett und Gedanken zu teilen, während andere in der Mitte des Lebens plötzlich wieder tindern, polyamoren und generell viele Anstrengungen unternehmen, sich die Aufregung in ihr Leben zurückzuholen.
So wie die eine Freundin, die nach dem Bruch ihrer Beziehung wieder im Dating-Game ist und uns gern daran teilhaben lässt. “Love Spam” nennen wir beide das insgeheim. Und vielleicht schwingt sogar ein bisschchen Neid mit, wenn wir das sagen, mit einem Grinsen zwar, aber doch…
Denn Langzeitliebe ist nicht mehr der dauernde Oxytocin- und Dopamin-Kick aus Anfangstagen. Ist mehr Ruhe statt Rausch. Mehr Verlässlichkeit statt Verliebtheit. Die Langzeitliebe hat viele Leerstellen, weil sie sich im Familienalltag dauernd anderen Bedürfnissen unterordnen muss. Weil wir meist eher Eltern als Paar sind. Weil vor dem WIR immer erst ein SIE kommt, das unsere Kinder füllen mit ganz viel Leben, mit ganz viel Liebe auch, aber eben einer anderen.
Der Raum, den unsere Liebe im Alltag einnehmen kann, wird kontinuierlich kleiner, seitdem sich andere in unser Herz geschmuggelt haben. Und es ist nicht immer leicht, sich davon freizumachen, von all den Gefühlen und Gedanken, die um andere kreisen, um sich wieder aufeinander als Paar zu besinnen.
Langzeitliebe heißt aushalten zu können, nicht die Nummer eins zu sein. Heißt warten, sich zufriedengeben können mit wenig. Es heißt aber auch, Anstrengungen zu unternehmen, für die man eigentlich viel zu erschöpft ist, weil die Liebe für andere so kräftezehrend ist.
Mir fehlt unser Wir in letzter Zeit häufiger. Viel Load bedeutet wenig Zeit für uns, für Date Nights, die viel zu selten sind, für Paar-Wochenenden, die wir mehr als einmal im Jahr nicht schaffen, weil der Aufwand dafür immer immens ist. Selbst ein schnöder Kinobesuch bedeutet gerade zu viel Aufriss, weil erstmal andere organisiert werden müssen, die das Regeln übernehmen, damit wir es für einen Moment sein lassen können.
Dabei finde ich eigentlich, dass wir außer Haus das bessere Paar sind. Weil wir dabei auch einen räumlichen Abstand zu all dem Kram haben, der Familienleben bedeutet. Und doch schaffen wir es schon seit Wochen nicht, diesen einen Film im Kino zu sehen. Weil Kinderhobbys, weil Klausurvorbereitung, weil Babysitter nicht angepingt. Und dann wird es eben doch wieder Netflix & Chill, auf die unaufgeregte Langzeitliebe-Art.
Irgendwie ergibt man sich diesem Umstand, tröstet sich damit, dass es bald anders wird, weil die Kinder größer und selbständiger werden und man wieder mehr Energie und Zeit füreinander hat. Weil es immer ein morgen gibt, an dem man all das machen kann, was man gerade verpasst.
Aber vielleicht wacht man auch irgendwann auf - und es geht nicht mehr. Zeit ist endlich, auch die füreinander, daran hat mich ein unerwartetes Gespräch kürzlich nachdrücklich erinnert. Ich unterhielt mich mit einer älteren Frau, die bei uns im Dorf einen Gemüsestand betreibt, ein netter Schnack immer inklusive. Wir hatten uns über die Winterpause nicht gesehen, ich fragte, wie es ihr ergangen sei - und unvermittelt berichtete sie mir von ihrem Mann, der jetzt pflegebedürftig ist. Mit dem sie auf einmal all die Dinge nicht mehr unternehmen kann, die sie früher mit ihm so gern gemacht hat. Einen Abendspaziergang. Durchs Watt laufen - “Ach, was würde ich gern noch einmal mit ihm ins Watt…”
Und dann sah sie mich eindringlich an und traf mich mit ihrem nächsten Satz voll ins Herz: “Macht all die schönen Dinge gemeinsam, so lange ihr es noch könnt.” Und so nahm ich an diesem Nachmittag nicht nur jede Menge Kräutertöpfe mit nach Hause, sondern auch das klare Gefühl, dass ich uns als Paar nicht immer der Familie opfern will. Dass es an der Zeit ist, wieder unsere Nischen zu finden, denn auch wenn die Kinder größer werden und selbständiger, heißt es nicht automatisch, dass sich ganze Universen an Zeit auftun. Während der Jüngste es sich noch immer am liebsten im Elternbett gemütlich macht, gehen die Älteren mittlerweile nach uns ins Bett. Haben einen Haufen Freunde zu Besuch, die durchs Haus lärmen, während wir versuchen, einen zweisamen Sonntagmorgen zu zelebrieren. Würden wir auf den perfekten Moment warten wollen, müssten wir dafür noch verdammt viel Geduld aufbringen. Und Zeit vertreichen lassen, die ich gerade lieber festhalten will, weil: Time is now.
Insofern bin ich gerade auf Nischensuche: Bei Autofahrten mit unserer (!) laut aufgedrehten Musik. Bei einem gemeinsamen Lunch-Date ohne Kids. Bei einer kurzen Couch-Massage vor einem Film, den wir gemeinsam ausgesucht haben. Oder eben doch bei der Date-Night außer Haus, für deren Orga ich gerade neue Energie-Ressourcen mobilisiere.
Denn wenn ich zurückschaue, frage ich mich: Wo sind diese 20 gemeinsamen Jahre hin? Ein Fingerschnipps entfernt stehen wir jetzt hier, Ende 40, chronisch erschöpft vom Leben und vom Alltag - und haben viel Zeit und Energie in andere und anderes investiert statt in uns. Das ist okay, das ist der steinige Weg, den Langzeitliebe mit Familie eben geht - aber das ist nicht der Status Quo, den ich für die nächsten 20 Jahre etablieren will.
Ich will wieder mehr Liebe und mehr Leben, mehr “just the two of us”, wir gegen den Rest der Welt. Ich will uns mehr priorisieren, und zwar regelmäßig. Wenn ich WIR denke, will ich nicht SIE meinen. Denn von uns ist bislang niemand pflegebedürftig, das ist nur unsere Langzeitliebe, die zwar oft genügsam in zweiter Reihe steht, aber jetzt ist es mal wieder an der Zeit für ihren großen Auftritt. Deswegen planen wir jetzt unsere Paar-Party. Denn kaum war die Idee kürzlich da, war sie auch schon wieder weg. Vermutlich weil ein Kind dazwischen kam, die Energie nicht reichte oder die Fantasie. Aber ich will uns jetzt feiern. Tindern kann ja jeder. Aber Langzeitliebe, das ist so viel krasser. Oder was meint ihr…?
„Liebe besteht nicht darin, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt.“
Antoine de Saint-Exupéry, Schriftsteller
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Outlander Staffel 7: Passt ganz hervorragend zur Langzeitliebe, diese Romance, die sogar Jahrhunderte überdauert. Ehrlicherweise schaue ich sie dennoch allein, weil dieser Edel-Kitsch meinpersönliches guilty pleasure ist. Früher habe ich alle Romanwälzer von Diana Gabaldon dazu verschlungen - mittlerweile bevorzuge ich die Serie, weil ich nur noch selten 1000-Seiten-Bücher schaffe. Auf Netflix ist just die siebte Staffel gestartet - ist genau die Art von Eskapismus, die ich nach einem langen Tag gut haben kann.
Biopics: Der Mann und ich haben uns die letzten Tage gemeinsam auf Biopics gestürzt - das lieben wir beide. Nachdem ich kürzlich im Kino schon komplett hingerissen von “A complete Unknown” über die Anfänge von Bob Dylan war, haben wir zum Tod von Val Kilmer gerade noch einmal “The Doors” geschaut - Gott, ich liebe den Sound und Jim Morrisson (und Val Kilmer in dieser ikonischen Rolle)! Und weil wir so in Laune waren, haben wir gerade noch “Lindenberg! Mach dein Ding” nachgeschoben und sehr viel 70er-Lokalkolorit vom Hamburger Kiez mitgenommen. Wer noch mehr Biopics-Empfehlungen braucht: “Walk the Line” (Johnny Cash und June Carter), “Bohemian Rhapsody” (Freddy Mercury und Queen) sowie “Rocket Man” (Elton John) fanden wir alle richtig gut. Sparen kann man sich hingegen “One Love” über meine Teenie-Ikone Bob Marley, “Back to Black” (Amy Winehouse) und “I wanna dance with somebody” (Whitney Houston) - leider allesamt recht blutarm.
Spring-Sounds: Mit dem Konzert von Erlend Øye und La Comitiva haben mein Mann und ich letztes Jahr den Auftakt zu unserer neuen, alten Livemusik-Sehnsucht gefeiert. Das Album des Norwegers, der seit Jahren auf Syracus lebt und flockig-leichte Sounds produziert, geht einfach immer, sobald die Tage länger und die Stimmung besser wird. Hört hier unbedingt mal rein. Liebe auch sein Kings of Convenience-Projekt. Guter Typ! Ach, und habe ich euch hier schon mal Aaron Frazer empfohlen? So fantastischer Retro-Soul! Hört mal in sein Album “Into the Blue” rein. Gern geschehen.
Whimsical little things: Gerade aus der ZEIT gelernt: Das sind kleine Dinge, die wir tun oder sagen, um den Alltag ein wenig amüsanter zu machen. Ich nenne meine Kinder manchmal bei ihren Bauchnamen - was ich besonders beim Ältesten lustig finde: Er hieß Minimum und überragt mich mit knapp 13 jetzt um einen halben Kopf (by the way: Ich bin 1,75 Meter groß). Oder ich rede dem Computer gut zu, wenn er Spirenzchen macht. Kennt ihr das auch?
Schweige-Retreat: Habe mir just einen Aufenthalt im Schweige-Kloster gebucht - spontan, weil ich glaube, dass ein wenig innere Einkehr nie schadet. Und ich gespannt darauf bin, was mir alles so in den Kopf kommt, wenn ich mal drei Tage nicht rede und digital offline bin. Werde berichten. Wer neugierig ist: Hier will ich hin.
Alles Liebe, bis nächsten Samstag,
Katia
P.S.: Wenn ihr unten auf das Herz klickt, geht meines so richtig auf und ganz nebenbei helft ihr damit auch noch anderen, meine Texte zu finden. Mille Mercis!
Wir feiern dieses Jahr 20 Jahre verheiratet und 24 Jahre zusammen sein, unsere Töchter sind 21 und wohnen noch bei uns. Als wir vor Jahren das erste Mal (wieder) zu zweit verreisen konnten fühlte sich das richtig komisch an…..wir mussten uns erst langsam daran gewöhnen! Und fingen dann an anders zu reisen als wir es als Familie gewohnt waren. Statt mit Auto und Ferienwohnung packten wir unseren Rucksack und fuhren mit dem Zug nach Apulien - ich fühlte mich wie Mitte 20 ;-) Und nachdem wir damals auf einem Konzert zusammen gekommen sind feiern wir unsere Langzeitliebe dieses Jahr auf einem Flaming Lips Konzert in Hamburg! Wofür wir extra aus München anreisen…
Guten Morgen liebe Katia, mit einem Kaffee auf dem Balkon und mit dir starte ich in den Samstag, wie schön!
Und eine Sendung per Paypal geht auch gleich wieder raus!
Danke dir für deinen Text! Ich muss sagen, dass ich viele Dinge erkenne, auch wenn meine Partnerschaft gar keine Langzeitliebe ist, da sie ‚erst‘ 2 1/2 Jahr dauert. Aber wir haben beide Kinder und da ergeben sich zwangsläufig ähnliche Themen. Dass man nicht immer an erster Stelle steht und sich auch mal zurücknehmen muss; dass Raum für das Paar-sein weniger ist, wenn drei Kinder herumtoben plus Besuchskinder.
Allerdings fehlt gleichzeitig das jahrelange Fundament und die Sicherheit einer Langzeitliebe, weswegen es manchmal schwierig ist, das zu akzeptieren und sich nicht Sorgen um die Liebe zu machen. Dem gegenüber stehen natürlich die regelhaften kinderfreien Wochenenden, die wir als Ausgleich dann auch dringend nötig haben. So halten sich die Dinge irgendwie die Waage.
Sag mal, könntet ihr eure Kinder denn noch gar nicht zusammen alleine lassen? Ich erinnere mich, dass ich mit meinen Geschwistern (5 und 7 Jahre älter) schon recht früh alleine Zuhause war und wir unsere Eltern telefonisch jederzeit erreichen konnten und eine Nachbarin parat stand. Aber Geschwisterkonstellationen und Dynamiken sind ja auch unterschiedlich ;-)
Alles LIEBE für jede Liebe, egal wie sie sich nennt und wer sich liebt! ❤️
Schönes Wochenende, liebe Katia, Biene